Die erste Welle der Globalisierung im 19. Jahrhundert stellte zum einen die Grundlage der Ausbreitung der anarchistischen Ideen, bedingt durch die Migrationsbewegungen von Arbeiter*innen in alle Teile der Welt und forderte diese gleichzeitig als Reaktion gegen Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit heraus. Die freiheitlichen und antiautoritären Ideen der Anarchist*innen sprachen auch viele Frauen an. Nicht nur von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung betroffen, sondern auch von den patriarchalen Zwängen der Gesellschaft, bekam in dem Zusammenhang die Frage der individuellen Freiheit eine noch weitreichendere Bedeutung als sich das viele männliche anarchistische Theoretiker bis dahin gedacht hatten. Die Institution Ehe wurde in Frage gestellt, das Konzept der Freien Liebe diskutiert, Kindererziehung, niedrigere Löhne auf Grund von Geschlecht und viele weitere Aspekte standen zur Disposition.
Die anarchistische Bewegung war durch die Migrationsbewegungen in alle Teile der Welt verstreut und gleichzeitig durch die Entwicklungen der Globalisierung und neuer Techniken gut vernetzt und stand in regem Austausch. Dies war die Grundlage für international geführte Diskussionen, welche die Verbundenheit von Arbeiter*innen global zum Ausdruck brachte und sich unter anderem in weltweiten Solidaritätskampagnen und dem Begehen gemeinsamer Ereignisse wie seit 1890 dem ersten Mai zeigte. Und so war auch diese grundlegende Kritik der bürgerlich-patriarchalen Welt ein Thema was von unterschiedlichsten Akteur*innen in ihren jeweiligen Kontexten besprochen wurde. Lucy Parsons aus den USA, He Zhen aus China und Luisa Capetillo aus Puerto Rico sind drei politische Akteurinnen die sich um die Jahrhundertwende des 19. zum 20. Jahrhunderts mit den Fragen von Freiheit und Gerechtigkeit befasst haben. Dabei könnte ihr Lebenshintergrund nicht unterschiedlicher sein. Trotzdem stellen sie
ähnliche Fragen, kämpfen gegen kapitalistische Ausbeutung, diskutieren die Stellung der Frau in der Gesellschaft, sehen sich mit Rassismus und Imperialismus konfrontiert, schreiben Artikel für Zeitschriften oder publizieren eigene Zeitungen oder halten politische Reden.
Der Vortrag gibt einen Einblick in anarchistisch-feministische Positionen um die Jahrhundertwende anhand der drei genannten Akteurinnen und versucht eine Einordnung anarchistisch-feministischer Positionen innerhalb der anarchistischen aber auch feministischen Bewegung.