Potentiale, Grenzen und Risiken eines politisch nutzbaren Instruments am Beispiel der Prozesse gegen die Neonazinetzwerke „Gruppe Freital“ und „Freie Kameradschaft Dresden“.
Ein durch und durch repressives, reaktionäres und rechtskonservatives Justizsystem prägt unseren Alltag. Es lobt sich rechtsstaatlich, schützt jedoch in erster Linie die Interessen der Mächtigen, (Einfluss)Reichen und anderer Eliten und bekämpft alle, die diese Interessen kritisieren und bedrohen, darunter besonders politischen staatskritischen Aktivismus und Akteur_innen sozialer Bewegungen. Die sächsische Justiz seit jeher überwiegend blind, taub und stumm gegenüber rechtsradikalen, rassistischen und nationalistischen Gedanken, Worten und Taten wurde jedoch durch die bundesweite Berichterstattung über die sich seit 2015 immer schneller drehende faschistische Gewaltspirale so sehr unter Druck gesetzt, dass sie sich genötigt sah, einige besonders auffällige Neonazi-Gruppierungen zu verfolgen. Dazu zählt die „Freie Kameradschaft Dresden“, gegen deren Mitglieder dieses Jahr mehrere Prozesse am Landgericht Dresden (LG) stattfinden. Der Prozess gegen die sogenannte Gruppe Freital, der seit März 2017 am Oberlandesgericht Dresden (OLG) gegen acht Neonazis unter anderem wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung und versuchtem Mord verhandelt wird, wurde hingegen von der Bundesstaatsanwaltschaft erzwungen und die Ermittlungen zuvor den sächsischen Behörden entzogen, da die sächsische Justiz die
Anschlagsserie der Freitaler Neonazigruppierung am Amtsgericht abhandeln wollte und wie im Prozess immer wieder ersichtlich wird, stellenweise Ermittlungen behinderte und die politische Tatmotivation leugnete.
Obwohl bundesweite Behörden also scheinbar faschistische Anschläge tendenziell eher als solche anerkennen als die sächsischen und damit minimale Kurskorrekturen vorzunehmen in der Lage scheinen, zeigt sich auch in diesem Prozess, wie wenig das Gericht und die Bundesanwaltschaft die Interessen der Betroffenen von den Anschlägen der Neonazis interessieren. Die Nebenklage als vom Staat konstruiertes Instrument sollte dazu dienen, diese Interessen zu wahren. Jedoch ist jeder Prozess
einzigartig und unvorhersehbar und Richter_innen legen das Gesetz mit jeder Entscheidung im Gerichtssaal neu aus. Sie sind diejenigen Instanzen im „Rechtsstaat“, die sich am wenigsten ans Gesetz halten müssen, weil ihre Interpretationen und Handlungen bis auf einzelne Ausnahmen keine Konsequenzen für sie selbst haben, sondern nur für andere.
In Vortrag und Diskussion soll erörtert und kritisiert werden, was
Nebenklage bedeutet, welche Potentiale und Chancen, aber mehr noch welche Risiken, Gefahren und Probleme mit ihr einhergehen. Denn der größte, nicht auflösbare und mit anarchistischer Theorie und Praxis unvereinbare Widerspruch ist der offizielle Anschluss an eine Anklage von einer Staatsanwaltschaft, die zu einer erheblichen Mehrheit sozial aktive, links(radikale) oder als linkspolitisch wahrgenommene Mitglieder, Netzwerke und Initiativen verfolgt und rechte (Straf)Taten oftmals nicht einmal als solche werten, geschweige denn verfolgen will.
Dennoch haben sich Menschen aus einem Dresdner Hausprojekt, dass von Neonazis der „Gruppe Freital“ und der „Freien Kameradschaft Dresden“ im Herbst 2015 angegriffen wurde, für eine Nebenklage in mehreren Prozessen entschieden. Daher sollen Möglichkeiten und Probleme des auch politisch nutzbaren Instruments der Nebenklage an den bisher stattfindenden Prozessen gegen die beiden Neonazigruppen vorgestellt und diskutiert werden.